Erstellt von J. Weigend

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„Lebt euer Leben, denn es ist schön!“

TG Umwelttechnik beeindruckt von Zeitzeugin und Überlebender des Holocausts, Eva Erben, in der Stuttgarter Liederhalle.

Anlässlich des Gedenktags an die 6 Millionen in der Schoa ermordeten jüdischen Männer, Frauen und Kinder sprach am 27. Januar 2023 die Zeitzeugin und Buchautorin Eva Erben in der Stuttgarter Liederhalle über ihre Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs und ihre Zeit in den Konzentrationslagern Theresienstadt und Auschwitz. 750 Schüler*innen, darunter auch die Schüler*innen des Technischen Gymnasiums Umwelttechnik der Oscar-Walcker-Schule Ludwigsburg lauschten den Worten der eigens aus Israel angereisten Frau. Das Gespräch mit ihr führte der bekannte Moderator Günther Jauch, den seit einigen Jahren eine enge Freundschaft mit Frau Erben verbindet.

Eva Erben wurde 1930 in der damaligen Tschechoslowakei geboren und wuchs in einer liebevollen Familie auf. 1939 kam sie erstmals in Berührung mit antisemitischen Gedanken. Als sie sich wie so oft ein Eis kaufen wollte, sah sie im Fenster der Eisdiele ein Plakat hängen, das einen „hässlichen Mann“ zeigte. Auf diesem Plakat stand: Juden verboten. Eva, damals 9 Jahre alt, verstand die Aussage des Plakats nicht, sehr wohl aber ihre Eltern, denen sie später davon erzählte. Doch auch diese glaubten wie viele Juden damals, der nun vermehrt auftretende Judenhass sei eine vorübergehende Erscheinung. Ab 1939 duften Eva und ihre jüdischen Mitschüler*innen die Schule nicht mehr besuchen und erhielten daher Privatunterricht. Auch musste die Familie sämtliche ihrer Habseligkeiten an die SS abgeben. Im gleichen Jahr wurde das junge Mädchen mit ihren Eltern nach Theresienstadt deportiert. Ihr Vater wurde 1942 in ein anderes Konzentrationslager gebracht um dort zu arbeiten. Hier verlor sich seine Spur. Eva und ihre Mutter wurden schließlich 1944 mit allen weiteren verbliebenen Menschen in Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Von ihrer Ankunft hat Frau Erben lautes Geschrei, Hundegebell, Feuer und einen süßlichen Geruch in Erinnerung. Eine Frau sagte ihr bei der Ankunft, Eva Erben solle sich als 18-jährige ausgeben. Das tat sie und so wurde sie nicht wie andere Kinder und Babys direkt nach der Ankunft ermordet, sondern kam als arbeitsfähig eingestuft in eine Baracke, gemeinsam mit vielen anderen Frauen. Mit ihrer Mutter konnte sie so zusammenbleiben. Frau Erben berichtete von ihrem Alltag in Auschwitz, von ständigen Appellen, nicht vorhandener Privatsphäre, Hunger und dem ständig anwesenden Gesicht des Todes. Bei der Frage, wie es ihr gelungen war angesichts der Situation nicht aufzugeben, sprach sie von der „unbändigen Wut“, die sie empfunden habe. Diese Wut habe ihr geholfen.

Gegen Ende des Kriegs rückten die Alliierten näher, etwa 2000 KZ-Insassen, von denen letztlich 75 überlebten, wurden von den Nazis auf einen kilometerlangen Todesmarsch Richtung Westen geschickt, wer auf diesem anstrengenden Marsch in der Kälte Schwäche zeigte, wurde von den deutschen Soldaten umgehend erschossen. Auf diesem Marsch starb Eva Erbens Mutter an Schwäche und Krankheit, was für Eva damals jenseits ihrer Vorstellungskraft lag, eine Nacht habe sie weiter auf ihre Mutter eingeredet, unfähig, ihren Tod wahrzuhaben. Auf dem weiteren Weg übernachteten die Gefangenen in einer Scheune. Hier rettete Eva Erben offenbar der Gestank einer Kuh. Sie hatte sich wie viele anderen nachts im Heu verborgen, doch da sie dicht neben einer Kuh lag, spürten die Hunde der Nazis sie nicht auf. Als sie am morgen erwachte, war sie alleine. Nur 25-28 Kilogramm wiegend, ohne Schuhe lief sie tagelang durch den Wald. Ein desertierter deutscher Soldat, dem sie begegnete, versorgte sie mit Milch, die sie aber aufgrund ihrer jahrelangen Mangelernährung fast umbrachte, ein weiterer deutscher Soldat wollte sie erschießen, was ein anderer aber mit den Worten: „Lass sie, die stirbt schon von allein“ verhinderte. Letztlich fand ein tschechisches Ehepaar Eva Erben und versteckte sie bei sich. Dank ihnen kam Eva wieder zu Kräften und überlebte.

Später heiratete Eva Erben ihre Jugendliebe Peter, mit dem sie nach Israel auswanderte. Gemeinsam haben sie drei Kinder. 40 Jahre lang vermied Eva Erben alles Deutsche, die Sprache, die Kultur, das Land. Der Zufall wollte es, dass sie und ihr Mann deutsche Studenten bei sich aufnahmen, die auf den Spuren der Geschichte nach Israel gereist waren. Dank ihnen versöhnte sich Frau Erben mit den Deutschen und ist seit Jahren in Deutschland unterwegs um zu erinnern und zum Nachdenken anzuregen.

„Unglaublich beeindruckend und lehrreich“ empfanden die Schüler*innen der TGU11 der Oscar-Walcker-Schule die Begegnung mit der Zeitzeugin. Eva Erben ist eine Frau, die nicht nur die schreckliche Zeit des nationalsozialistischen Terrors durch ihre Schilderungen erfahrbar macht und damit auch mahnt und warnt, sie beeindruckt vor allem durch ihre Milde und ihre Zuversicht, die sie selbst ausstrahlt und die sie mit den Worten „Lebt euer Leben, denn es ist schön“ an die Schüler*innen weitergab.


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